Digitalisierung und Design Thinking
Was ist Design Thinking?

Was uns umtreibt. Was uns antreibt.

von Dr. Eva Köppen (Design Thinking Strategin)

geschrieben am 06.05.2017

Design Thinking ist ein iterativer Prozess, der auf eine lange Tradition zurückblickt. Er begleitet Teams von der Analyse und Problemdefinition über die Entwicklung von Lösungsvorschlägen bis zur Bewertung von Prozess und Ergebnissen.

Lösungen für "wicked problems"

Design-Strategien wie Human-Centered Design oder Design Thinking werden weitgehend synonym verwendet. Sie versuchen, konkrete Lösungen für komplexe, sozial vielschichtige Probleme zu finden, die nicht auf einfache und eindeutige Weise zu erfassen sind. Aus diesem Grund sind Design-Probleme “wicked problems” (den Begriff prägte Rittel bereits in den 1970er Jahren): Unscharf in ihrem Charakter und nicht abschließend definierbar. “Wicked problems” zu lösen erfordert keineswegs ein analytisches Denkschema, das einer epistemologischen Logik des Wissenserwerbs über wissenschaftliche Wahrheiten folgt. Designer richten sich eher nach der Neuheit, Realisierbarkeit und Brauchbarkeit eines Produktes (Martin, 2009, S. 63). Es sind die von außen wirkenden Perspektiven, die über die Durchführbarkeit einer Lösung entscheiden: Die Sichtweisen der Kunden, Klienten, Patienten, Ingenieure, Hersteller, Politiker, Angestellten etc. (Lawson, 2006, S. 83).

Design als Koordinator

Design übernimmt die Rolle des Koordinators in einem Kontext voller unterschiedlicher Stakeholder, weil Design auf dem Wissen anderer beruht (Köppen, 2016). Um dies tun zu können, sind innerhalb des Designs Lernstrategien entwickelt worden: Methoden, um multiples Wissen und Perspektiven anderer zu sammeln und zu synthetisieren, um diese wiederum in kreativer Weise in neue Services oder Produkte zu transformieren. Im Vergleich zum analytischen Denken innerhalb der etablierten Wissenschaft lassen sich solche Strategien als Design Thinking bezeichnen (Brown, 2009; Dunne & Martin, 2006).

Design Thinking konkret: Idealtypischer Ablauf

Der mensch-zentrierte Gestaltungsprozess besteht aus vier Hauptphasen, die jeweils aufeinander aufbauen und iterativ variiert werden können:

  1. Entdecken: Was ist unser gemeinsames Verständnis der Herausforderung? Wer sind die betroffenen Zielgruppen? Wie können wir deren Sicht empathisch einbeziehen?
  2. Strukturieren: Wie können wir die gesammelten Erkenntnisse synthetisieren? Mit welchen Einsichten wollen wir sinnvoll weiterarbeiten? Wie lautet unsere konkretisierte Fragestellung?
  3. Entwerfen: Welche Ideen haben wir für die offenen Fragen? Was kann aus der Zukunft gedacht werden? Wie können wir diesen Ideen ein Format geben, um Erfahrungen damit zu ermöglichen?
  4. Anpassen: Wie lassen sich unsere prototypischen Ideen systematisch testen? Welches Feedback aus der Testphase benötigen wir, um unsere Idee zu verbessern oder unsere Annahmen zu korrigieren?

Diese Prozessschritte eignen sich besonders in sozialen Sphären, in denen hochinnovative Technologien und Forschungsergebnisse auf die alltäglichen Bedürfnisse von Menschen treffen. Design Thinking kann somit als eine neue, liberale Kunstform (“art”) der technologischen Kultur betrachtet werden (Buchanan, 1992). Diese „art“ des Design Thinking ist eine Entwicklung hin zu einer Demokratisierung des Designs: Weg vom elitären Design-Begriff hin zu Design als Prozess und Methoden-Toolbox, die jedes Team anwenden und erlernen kann – nicht nur Design-Teams an der Hochschule.

Quellen

  • Buchanan, R. (1992): Wicked Problems in Design Thinking. Design Issues 8(2), 5-21
  • Brown, T. (2009): Change by Design - How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation. New Yorck: Harper Collins Dunne, D.; 
  • Köppen, E. (2016): Empathy by Design. Untersuchung einer Empathie-geleiteten Reorganisation der Arbeitsweise. Konstanz: UVK.
  • Lawson, B. (2006): How Designers Think (4th Edition). Amsterdam u.a.: Architectural Press
  • Martin, R. (2009): The Design of Business - Why Design Thinking is the Next Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press 
  • Martin, R. (2006): Design Thinking and How It Will Change Management Education: An Interview and Discussion. Academy of Management Learning & Education 5(4), 512-523 
  • Rittel, H. (1972). On the planning crisis: Systems analysis of the „First and Second Generations“. Bedriftsøkonomen, 8, 390–396.

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